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Zu den beglückendsten Erfahrungen, die ich als SL machen durfte,
gehört ohne Zweifel das Erlebnis, eine Spielergruppe in einer
laufenden Kampagne wachsen zu sehen. "Wachsen" bedeutet hier, daß die
Charaktere sich anfangs gegenseitig im Weg herumstehen, Fehler machen
und daraus lernen. Bis sie schließlich so weit sind, daß die
Zusammenarbeit im Team perfekt funktioniert.
Ein kleines Beispiel aus der 7G-Kampagne (DSA):
Vorher: Der Magier (S1) muß sich immer wieder mit anderen Leuten, unter
anderem dem Streuner (S2), herumschlagen, weil irgendwie keiner in
weltlichen Dingen auf ihn hören will. Es kommt zu einigen Schlachten,
die zum Teil zerfusselt und verlustreich sind, weil jeder in eine andere
Richtung rennt. Der Magier bewirkt ein paar entscheidende Aktionen, als
es zum großen Showdown kommt.
Ein paar Abenteuer später: Man ist um viele Erfahrungen reicher. Die
Anforderungen wachsen, und man wächst mit. Als der Angriff einer
weiteren Übermacht anrollt, sagt S1: "S3, nach vorne, S4, S5, kümmert
Euch um die Kleinen, S2, Du deckst mich ab!" Und es passiert genau so.
Will man auf lange Sicht eine harmonische Gruppe aufbauen, so müssen
gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Vor allem kommt es auf eine
gesunde Aufgabenverteilung an. Das mag sich scheinbar aus der
Gruppenkonstellation selbst ergeben, ist aber nicht so. Es kommt nicht
darauf an, was die Charaktere in der Kampagne für Aufgaben mit ihren
Fähigkeiten erfüllen könnten, sondern bei welchen sie es tatsächlich
tun. Es ist schon oft genug vorgekommen, daß der Magier einem
verdächtigen Geräusch nachgeht, weil der Krieger gerade schläft.
Konkret braucht jeder Spieler einen Bereich, in dem sein Charakter
herausragen kann. Dazu gehören unter anderem:
- Magie
- Handwerk und Technik
- Kampf
- Natur/Fortbewegung
- Verhandlung/Informationsbeschaffung
- spezielle Fertigkeiten
Daraus ergeben sich automatisch gewisse klassische Probleme:
Problem Nr. 1: Der Magier kann einfach alles, und die anderen nicht!
Erklärt sich wohl von selbst. Magier decken gewöhnlich mindestens drei
Bereiche aus obiger Liste ab, da kann sich der Rest der Truppe noch so krummstellen.
Problem Nr. 2: Ein Charakter kann nichts, was ein anderer nicht schon besser kann.
Beispiel: Knappe. Man könnte es sich leicht machen, und sagen, der betreffende Charakter paßt
nicht in die Gruppe. Das ist aber keine Universallösung, weil das Problem in irgendeiner Form
immer wieder auftaucht.
Problem Nr. 3: Der Charakter ist zwar gut, aber seine Fertigkeiten sind nicht gut
auszuspielen.
Beispiel: Holzfäller (haben wir gehabt und partiell auch gelöst).
Paradebeispiel: DECKER.
Lösen kann man diese Schwierigkeiten grundsätzlich auf drei verschiedene Arten:
1. Eine ausgewogene Gruppe zusammenstellen.
Ist natürlich am besten dann möglich, wenn die Spieler mit frischen
Charakteren anfangen. Hier sollte man sich aufeinander abstimmen und ganz bewußt
Kontraste zwischen den Charakteren setzen. Dabei kann man
von der klassischen "Fachidiotengruppe" nach AD&D-Manier bis zu feineren
Schattierungen alles wagen, nur müssen Kontraste bleiben. Wir haben mal
eine Kampagne mit einer Gruppe gespielt, die nur aus Söldnern bestand:
Ein ehemaliger Pirat, der gut klettern konnte, ein maraskanischer
Patriot mit schwerer Rüstung, ein tulamidischer Leibwächter und
Bogenschütze sowie ein Meuchler. Es gab kaum eines der Überschneidungsprobleme.
2. Im Spiel die Differenzen moderieren.
Man muss unbedingt dafür sorgen, daß jeder auch Gelegenheit dazu
erhält, seine Fertigkeiten einzusetzen. Also: mindestens einmal pro
Sitzung eine entsprechende Szene einbauen, die kurz sein kann, aber der
Handlung dienen sollte und keine Beschäftigungstherapie ist.
In einer Kampagne kommt man früher oder später auch nicht darum herum, die
Kernhandlung mit Subplots anzureichern. Das kann so weit gehen, daß
diese den größten Teil der Spielzeit ausmachen. Einzelne Subplots oder
Teile davon sollten dann individuell für bestimmte, tendenziell
unterbeschäftigte Charaktere, maßgeschneidert werden.
Zum Beispiel:
- Der Charakter bekommt ein schwieriges Problem aus seinem Gebiet
gestellt: Den Thorwaler unter den Tisch saufen, den Dorfvorsteher davon
überzeugen, daß die Tochter des Schusters keine Hexe ist, die kodierte
Datei entschlüsseln und einen Weg ins Mainframe finden. Die Limousine
fit für den Ausflug in die Sümpfe machen, den Schoßhund der Baronin
einfangen usw.
- Ein auf den Charakter fixierter NSC wird eingeführt und gibt dem
Spieler über längere Zeit Rückhalt und das Gefühl, Teil der lebenden
Welt zu sein. Die Fixierung kann durch Lovestory, offenbare
Gemeinsamkeiten (Beruf, Rasse) oder ein gemeinsames Erlebnis geschehen.
- Es werden Abhängigkeiten erzeugt, die die Charaktere untereinander
oder mit der Umwelt verbinden. Medien dazu sind:
Koörperliche Handicaps, Sprache, Schulden bei oder von NSCs, anvertraute
oder entdeckte Geheimnisse, Befehlsgewalt, Drohungen, Feindschaften.
- Ein zu "starker" Charakter wird gedämpft: Fluch, plötzliche Armut,
schwere Verantwortung, Schutzbefohlene, stärkere persönliche Gegner:
Ein Magier von den Triaden mischt sich ein.
- Ein zu "schwacher" Charakter wird gefördert: Erleuchtung, Reichtum,
Gönner, göttliche Eingebungen (Visionen), angepasste Schwierigkeiten:
Irgendjemand muss den Boten aufhalten, während wir gegen den Drachen kämpfen.
3. Schliesslich müssen einfach genug gemeinsame Aktionen gelingen, in
denen die Spieler wirklich kooperieren (z.B. 6-Flip-3'er Block in Starship Troopers).
Man muss sich als Meister eh' ständig Probleme ausdenken,
die nicht ein Charakter allein lösen kann, (einer rudert, einer
schöpft, einer wehrt die Mumie ab, die am Boot höngt), so daß ich
dazu allen SLs nur empfehlen kann: Laßt den Spielern auch mal was gelingen!
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