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Teamwork in Kampagnen
(von Kristian Rother, krother@chemie.fu-berlin.de)

Zu den beglückendsten Erfahrungen, die ich als SL machen durfte, gehört ohne Zweifel das Erlebnis, eine Spielergruppe in einer laufenden Kampagne wachsen zu sehen. "Wachsen" bedeutet hier, daß die Charaktere sich anfangs gegenseitig im Weg herumstehen, Fehler machen und daraus lernen. Bis sie schließlich so weit sind, daß die Zusammenarbeit im Team perfekt funktioniert.

Ein kleines Beispiel aus der 7G-Kampagne (DSA):
Vorher: Der Magier (S1) muß sich immer wieder mit anderen Leuten, unter anderem dem Streuner (S2), herumschlagen, weil irgendwie keiner in weltlichen Dingen auf ihn hören will. Es kommt zu einigen Schlachten, die zum Teil zerfusselt und verlustreich sind, weil jeder in eine andere Richtung rennt. Der Magier bewirkt ein paar entscheidende Aktionen, als es zum großen Showdown kommt.
Ein paar Abenteuer später: Man ist um viele Erfahrungen reicher. Die Anforderungen wachsen, und man wächst mit. Als der Angriff einer weiteren Übermacht anrollt, sagt S1: "S3, nach vorne, S4, S5, kümmert Euch um die Kleinen, S2, Du deckst mich ab!" Und es passiert genau so.

Will man auf lange Sicht eine harmonische Gruppe aufbauen, so müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Vor allem kommt es auf eine gesunde Aufgabenverteilung an. Das mag sich scheinbar aus der Gruppenkonstellation selbst ergeben, ist aber nicht so. Es kommt nicht darauf an, was die Charaktere in der Kampagne für Aufgaben mit ihren Fähigkeiten erfüllen könnten, sondern bei welchen sie es tatsächlich tun. Es ist schon oft genug vorgekommen, daß der Magier einem verdächtigen Geräusch nachgeht, weil der Krieger gerade schläft.
Konkret braucht jeder Spieler einen Bereich, in dem sein Charakter herausragen kann. Dazu gehören unter anderem:

  • Magie
  • Handwerk und Technik
  • Kampf
  • Natur/Fortbewegung
  • Verhandlung/Informationsbeschaffung
  • spezielle Fertigkeiten

Daraus ergeben sich automatisch gewisse klassische Probleme:

Problem Nr. 1: Der Magier kann einfach alles, und die anderen nicht!
Erklärt sich wohl von selbst. Magier decken gewöhnlich mindestens drei Bereiche aus obiger Liste ab, da kann sich der Rest der Truppe noch so krummstellen.

Problem Nr. 2: Ein Charakter kann nichts, was ein anderer nicht schon besser kann.
Beispiel: Knappe. Man könnte es sich leicht machen, und sagen, der betreffende Charakter paßt nicht in die Gruppe. Das ist aber keine Universallösung, weil das Problem in irgendeiner Form immer wieder auftaucht.

Problem Nr. 3: Der Charakter ist zwar gut, aber seine Fertigkeiten sind nicht gut auszuspielen.
Beispiel: Holzfäller (haben wir gehabt und partiell auch gelöst).
Paradebeispiel: DECKER.

Lösen kann man diese Schwierigkeiten grundsätzlich auf drei verschiedene Arten:

1. Eine ausgewogene Gruppe zusammenstellen.
Ist natürlich am besten dann möglich, wenn die Spieler mit frischen Charakteren anfangen. Hier sollte man sich aufeinander abstimmen und ganz bewußt Kontraste zwischen den Charakteren setzen. Dabei kann man von der klassischen "Fachidiotengruppe" nach AD&D-Manier bis zu feineren Schattierungen alles wagen, nur müssen Kontraste bleiben. Wir haben mal eine Kampagne mit einer Gruppe gespielt, die nur aus Söldnern bestand: Ein ehemaliger Pirat, der gut klettern konnte, ein maraskanischer Patriot mit schwerer Rüstung, ein tulamidischer Leibwächter und Bogenschütze sowie ein Meuchler. Es gab kaum eines der Überschneidungsprobleme.

2. Im Spiel die Differenzen moderieren.
Man muss unbedingt dafür sorgen, daß jeder auch Gelegenheit dazu erhält, seine Fertigkeiten einzusetzen. Also: mindestens einmal pro Sitzung eine entsprechende Szene einbauen, die kurz sein kann, aber der Handlung dienen sollte und keine Beschäftigungstherapie ist.
In einer Kampagne kommt man früher oder später auch nicht darum herum, die Kernhandlung mit Subplots anzureichern. Das kann so weit gehen, daß diese den größten Teil der Spielzeit ausmachen. Einzelne Subplots oder Teile davon sollten dann individuell für bestimmte, tendenziell unterbeschäftigte Charaktere, maßgeschneidert werden.
Zum Beispiel:

  • Der Charakter bekommt ein schwieriges Problem aus seinem Gebiet gestellt: Den Thorwaler unter den Tisch saufen, den Dorfvorsteher davon überzeugen, daß die Tochter des Schusters keine Hexe ist, die kodierte Datei entschlüsseln und einen Weg ins Mainframe finden. Die Limousine fit für den Ausflug in die Sümpfe machen, den Schoßhund der Baronin einfangen usw.
  • Ein auf den Charakter fixierter NSC wird eingeführt und gibt dem Spieler über längere Zeit Rückhalt und das Gefühl, Teil der lebenden Welt zu sein. Die Fixierung kann durch Lovestory, offenbare Gemeinsamkeiten (Beruf, Rasse) oder ein gemeinsames Erlebnis geschehen.
  • Es werden Abhängigkeiten erzeugt, die die Charaktere untereinander oder mit der Umwelt verbinden. Medien dazu sind:
    Koörperliche Handicaps, Sprache, Schulden bei oder von NSCs, anvertraute oder entdeckte Geheimnisse, Befehlsgewalt, Drohungen, Feindschaften.
  • Ein zu "starker" Charakter wird gedämpft: Fluch, plötzliche Armut, schwere Verantwortung, Schutzbefohlene, stärkere persönliche Gegner: Ein Magier von den Triaden mischt sich ein.
  • Ein zu "schwacher" Charakter wird gefördert: Erleuchtung, Reichtum, Gönner, göttliche Eingebungen (Visionen), angepasste Schwierigkeiten: Irgendjemand muss den Boten aufhalten, während wir gegen den Drachen kämpfen.

3. Schliesslich müssen einfach genug gemeinsame Aktionen gelingen, in denen die Spieler wirklich kooperieren (z.B. 6-Flip-3'er Block in Starship Troopers).
Man muss sich als Meister eh' ständig Probleme ausdenken, die nicht ein Charakter allein lösen kann, (einer rudert, einer schöpft, einer wehrt die Mumie ab, die am Boot höngt), so daß ich dazu allen SLs nur empfehlen kann: Laßt den Spielern auch mal was gelingen!


© 1999 by Kristian Rother

 

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