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Teamwork
(von Daniel Benkmann, worm@daniworm.de)

Eine neue Rollenspielsession, ein neuer Grund mich wieder zu produzieren. Fangen wir am besten gleich mit einem einfachen Beispiel an, das ich bei unserer letzten DSA-Session genau so erlebt habe (ich war wie immer Meister).

Die Helden waren mit einer Kutsche unterwegs und hatten auf Grund eines Mißgeschicks des Fahrers (Hallo, Roland ;-) einen kleinen Unfall, der die Kutsche in einen beschädigten und nicht mehr fahrtüchtigen Zustand versetzte. Nachdem sich jeder Held einzeln (weil man natürlich dem zwergischen Fachmann nicht vertraute und sich nur auf seine eigene Meinung verließ) versichert hatte, daß die Kutsche nicht mit ihren Mitteln repariert werden konnte, stellte sich nun die Frage, wie es weitergehen sollte. Es war mitten im kältesten Winter, die Kutsche war nur geliehen, es war kurz vor Sonnenuntergang und das nächste Dorf war über eine Stunde entfernt.

Und da ging die große Diskussion auch schon los: Der eine wollte die Kutsche sowieso schon die ganze Zeit loswerden, der andere warf ein, daß sie keine Reitpferde hätten und nicht zu Fuß gehen könnten, der nächste konnte gar nicht reiten, usw. Zumindest entstand eine heftige Debatte. Es wurden zwar auch vernünftige Vorschläge vorgebracht, aber die Heldengruppe konnte absolut zu keiner Einigung kommen.

Nach einigen Verwirrungen und einer verzweifelten Aktion der Rondrageweihten mitten in der Nacht im nächsten Dorf einen Ersatz für die Kutsche aufzutreiben, war schließlich ein Punkt erreicht, an dem sich Zwerg und Rondrageweihte daran machten eine Tragvorrichtung für die Kutsche zu konstruieren, Magier und Krieger ins nächste Dorf ritten um Hilfe zu holen und der Medicus sich in der Kutsche schlafen legte, und das alles, weil die Gruppe einfach zu keiner Einigung gekommen war. Als Magier und Krieger schließlich nach mehreren Stunden mit Hilfe wiederkommen, sind Zwerg und Rondrageweihte gerade nach stundenlanger Holzfällerei und Konstruktion mit ihrer Tragevorrichtung fertig, die jetzt natürlich absolut unnütz ist. Der Magier beginnt zu lachen ob der lächerlichen Situation, worauf der Zwerg ihn beleidigt als Schwarzmagier bezeichnet. Diese Beleidigung kann der Weissmagier natürlich nicht auf sich sitzen lassen und beginnt sogleich einen Hruruzat-Kick auf den Zwerg zu zielen, woraufhin sich die Rondrageweihte zwischen die beiden wirft. Glücklicherweise konnte der Meister die Situation noch unter Kontrolle bringen, bevor sich die Helden alle gegenseitig abgeschlachtet hätten. Erst nach längerer Aussprache unter Leitung des Meisters konnte das Spiel wieder aufgenommen werden.

Nun ja, lange Rede, kurzer Sinn. Ich weiß nicht, ob es in anderen Gruppen auch dieses Problem gibt, aber meine Spieler (und wegen schlechtem Rollenspiel leider auch die Charaktere) können sich nie einigen. Jeder bringt immer seinen eigenen Vorschlag vor und will ihn ums verrecken in die Tat umsetzen. Das hat natürlich zur Folge, daß heftige Diskussionen und Streiterein entstehen, die das Rollenspiel empfindlich stören. Es ist schon interessant zu beobachten, wie sich die besten Freunde (im wirklichen Leben) im Rollenspiel plötzlich die härtesten Beleidigungen an den Kopf werfen. Allerdings ist es schwachsinnig, wenn sich die Mitglieder einer Gruppe ständig zerstreiten und kurz davor stehen sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen, schließlich sind sie ja eine Gruppe, die gemeinsam durch das Land zieht und Abenteuer besteht. Warum sollte irgendjemand in einer Gruppe mitlaufen, in der er nur Streit hat und in der seine Meinung nicht akzeptiert wird? Gäbe es meine Heldengruppe im wirklichen Leben, so hätte sie sich wohl schon längst aufgelöst.

Gerade bei Shadowrun ist das wichtig, da man jedem Mitglied seiner Gruppe vertrauen und sich hundertprozentig auf ihn verlassen können muß. Deshalb haben wir auch unsere alte Shadowrungruppe aufgelöst, weil unsere Charaktere sich immer so sehr zerstritten haben, daß keiner mehr sicher sein konnte, ob ihm der andere auch wirklich Rückendeckung geben würde. Wie denn auch, wenn wir selbst fast davorstanden, uns gegenseitig umzubringen?

Deshalb ist es für das Rollenspiel essentiell wichtig, daß sich die Charaktere (unabhängig von den Spielern) gut verstehen oder zumindest die Meinung des anderen akzeptieren. Es mag vielleicht in einer Gruppe kleinere Sticheleien zwischen einigen Charakteren geben (wie zum Beispiel Elfen und Zwerge), aber im Endeffekt sollten sich die Charaktere doch mögen und vielleicht sogar enge Freunde werden. Das verleiht dem Rollenspiel eine ganz andere Dimension und außerdem beschleunigt es auch das Spiel ungemein, wenn solche dämlichen Diskussionen wegfallen.

Überdies sollten die Spieler einmal versuchen, ihre Entscheidungen auf Grund rollenspielerischer Überlegungen zu treffen und nicht weil sie meinen, daß ihre Lösung die beste ist. Warum sollte zum Beispiel der Medicus widersprechen, wenn der Zwerg sagt, daß die Kutsche so repariert werden muß, auch wenn der Spieler des Medicus' meint, daß seine Methode besser ist (was sie vielleicht in Wirklichkeit auch ist)?

Ach ja, wenn die Spieler bloß alle richtig rollenspielen würden, dann würden eigentlich alle nervigen Probleme wie dieses vom Erdboden verschwinden und ich müßte nicht irgendwelche wirren Texte produzieren, um diese Bürde von meinem Geist zu nehmen...


© 1997 / 2001 by Daniel "Worm" Benkmann

 

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