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Du bist nicht du!
(von Daniel Benkmann, worm@daniworm.de)

Ich liebe einfach solche Überschriften! Sie sagen nichts aus, machen den Leser aber doch neugierig auf den Text. Dabei ist die Überschrift gar nicht so schwachsinnig wie sie sich zuerst anhört, denn es geht um ein Problem, das viele Rollenspieler haben. Sie können sich selbst nicht von ihrem Charakter unterscheiden. Ich höre jetzt schon einige Leute unken: "Ach nee! Darüber hast du doch schon letzte Woche gelabert!" Das ist im gewissen Sinne richtig, allerdings habe ich mich letztes Mal damit beschäftigt, daß manche Spieler es nicht schaffen ihr weltliches Wissen von dem Wissen ihres Charakters zu trennen. In diesem Text will ich etwas für Leute schreiben, die sich in ihrem Verhalten nicht von dem ihres Charakters unterscheiden (oder umgekehrt).

Es ist wirklich so, daß viele Spieler sich kaum Mühe geben, ihrem Charakter Persönlichkeit zu verleihen. Der Charakter entscheidet sich genauso wie der Spieler es tun würde, wenn er in diesselbe Situation kommen würde. Weil der Spieler gegen die Todesstrafe ist, ist natürlich auch sein Charakter dagegen. Meist werden bei dieser Persönlichkeitsübertragung vom Spieler zum Charakter auch einfach Eigenschaften übersehen, die den Charakter eigentlich zu etwas anderem machen als den Spieler. Zum Beispiel wird der Charakter im Spiel von einer Person beleidigt und den Spieler regt das total auf, so daß er auch seinen Charakter sich aufregen läßt (und der Person kräftig eine scheppert), obwohl sein Charakter eigentlich Jähzorn 1 hat (DSA-Eigenschaft). Es gibt auch viele Charaktere, bei denen es sogar gerechtfertigt ist, daß sie sich genauso verhalten wie der Spieler, da der Spieler seinen Charakter mehr oder weniger unbewußt nach seinem Vorbild geformt hat. Dies ist auch der Grund, warum viele Spieler immer wieder denselben Charaktertyp spielen. Doch macht es nicht gerade den Reiz des Rollenspielens aus, daß man eine andere Person spielt, die sich vielleicht total anders verhält als man selbst? In gewisser Weise ist Rollenspiel ja eine Art Schauspiel. Für Anfänger mag es okay sein, wenn sie erst mal eine Rolle spielen wollen, in der sie sich nicht sehr verstellen müssen, aber Fortgeschrittene sollten doch mal versuchen, wirklich etwas zu schauspielen und dem Charakter eine eigene Persönlichkeit zu geben. Spieler, die das absolut nicht schaffen, sollten aber dann doch lieber zu ihren alten Charaktertypen zurückkehren, damit sie nicht total unglaubwürdig erscheinen. Ich will im Folgenden mal versuchen ein paar Tips aufzustellen, wie man seinen Charakter eine eigene Persönlichkeit geben kann.

Eine einfache Möglichkeit, seinem Charakter eine Persönlichkeit zu geben, die von der eigenen verschieden ist, besteht darin, daß man den Charakter einfach immer genau das Gegenteil von dem tun läßt, was man selber tun würde. Natürlich muß man auch hier ein paar Grenzen setzen, da sonst der Charakter wahrscheinlich zum wahnsinnigen Massenmörder würde (Es sei denn, der Spieler ist ein wahnsinniger Massenmörder und das wollen wir ja nicht hoffen). Und natürlich muß sich der Charakter auch nicht bei absolut einleuchtenden Entscheidungen anders entscheiden als es der Spieler tun würde (Zum Beispiel allein gegen eine Million wilder Orks zu kämpfen oder einfach so in einen Abgrund zu springen). Aber bei so manch anderer Entscheidung kann der Spieler seinen Charakter einfach auf den Weg schicken, den er selbst nicht einschlagen würde. Wenn der Spieler nach rechts gehen würde, geht der Charakter eben nach links, ist der Spieler ein Vegetarier, so ernährt sich der Charakter fast ausschließlich von Fleisch, etc. Dadurch entsteht automatisch die Illusion einer eigenständigen Person und das Rollenspiel wird um einiges interessanter.

Eine weitere Möglichkeit, dem Charakter Persönlichkeit zu verschaffen, besteht darin, ihm eine ganz bestimmte Eigenart zu geben, eine Art "Macke". Natürlich sollte der Spieler des Charakters diese Macke möglichst nicht selber haben. Diese Macke muß der Spieler jetzt ganz besonders Ausspielen und in jeder Situation daran denken, wie sich die Macke auswirkt. So habe ich selber zum Beispiel einmal einen unerfahrenen Waldelfen gespielt, der sich in der weiten Welt nicht auskennt und hoffnungslos naiv ist. In jeder Situation habe ich mir also gesagt: "Ich bin naiv!" und habe entsprechend gehandelt (womit ich natürlich in einige Schwierigkeiten kam, aber die machen das Rollenspiel ja erst interessant). Diese Eigenschaft reicht eigentlich fast, um den Charakter zu einer Persönlichkeit zu machen, sofern man sie wirklich krass ausspielt. Ich könnte mir zum Beispiel auch einen Streuner vorstellen, der mit jedem Streit anfängt, der ihm über den Weg läuft, oder ein Magier, der überall mit seinen großen Taten prahlen muß. Solche "Macken" sind auch eine gute Gelegenheit für den Meister, kleine Abenteuer entstehen zu lassen und er kann sie gezielt einbauen. Gibt man seinem Charakter dann vielleicht noch eine zweite Macke (die nicht gar so drastisch sein sollte), so ensteht wirklich eine Persönlichkeit. Man muß dabei nur aufpassen, daß der Charakter nicht doch zu einseitig wird und damit auch langweilig.

Mir als großer Elfenfan ist noch eine Möglichkeit eingefallen, wie man seinem Charakter Persönlichkeit geben kann. Die Elfen (bei DSA) glauben, daß jeder ein Seelentier besitzt. Dieses Seelentier ist ein Tier, daß der Person sympathisch ist und seinem wahren Ich nahe kommt. Das Seelentier eines schlauen, verschlagenen Menschen könnte also zum Beispiel der Fuchs sein, das eines großen, brutalen Kriegers der Löwe und so weiter. Im Grunde entspricht das Seelentier also dem Totemkonzept von Shadowrun. Jedes Totem bzw. Seelentier repräsentiert bestimmte Charakterzüge, die jeder Mensch besitzt (z.B. Eule: Wachsamkeit, Verschwiegenheit; Hund: Loyalität, Pflichtbewußtsein). Ein Spieler sollte versuchen, seinem Charakter ein Seelentier zuzuordnen (möglichst ein anderes als das eigene), auch wenn dies zum Teil nur grob möglich ist. Dann braucht sich der Spieler beim Spielen seines Charakters nur immer das Seelentier vor Augen halten und die Charakterzüge, die es repräsentiert, und dementsprechend handeln. Ich weiß, das Ganze hört sich ziemlich esotherisch an, aber probieren geht über studieren.

Bis zum nächsten Mal und schickt mir zu Abwechslung auch mal eure Meinung zu dem Thema!


© 1997 / 2001 by Daniel "Worm" Benkmann

 

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