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K(r)ampf
(von Daniel Benkmann, worm@daniworm.de)

So, nach meinem letzten Artikel, der eher aus der Reihe geschlagen ist, will ich mich nun wieder etwas konkreteren Themen widmen. Der pfiffige Leser ahnt an Hand meiner wie immer äußerst ausdruckskräftigen Überschrift schon, worum es geht, nämlich um die von so Manchem heiß geliebten Kämpfe, Schlachten, schlagkräftigen Auseinandersetzungen und Streetfights, die aus fast keinem Rollenspiel hinwegzudenken sind.

Um es aber gleich vorneweg zu sagen: Ja, ich weiß, daß es euch irgendwo da draussen gibt, ihr pazifistischen Rollenspielgruppen, die ihr selbst mit Moskitos lieber eure Differenzen ausdiskutiert, anstatt sie einfach zu zerquetschen, und selbst im übelsten Massenmörder nur das ihm innewohnende Quentchen Gute seht. Also, meine lieben, sanftmütigen Freunde, mit der Aussage, daß in keiner Rollenspielgruppe irgendeine Art Kampf wegzudenken ist, will ich euch keinesfalls beleidigen und wünsche euch im Gegenteil noch viel Spaß beim Blumenpflücken.

Ähm, aber wo war ich stehengeblieben? Ach ja, bei dem Stellenwert von Kämpfen im Rollenspiel. Nun, daß der Kampf tatsächlich einen sehr hohen Stellenwert hat, läßt sich an mehreren Faktoren leicht erkennen. Wer kennt sie zum Beispiel nicht, die liebenswürdigen Krieger, Strassensamurais und orkschlachtenden Zwerge, deren Ausrüstung zu 90 Prozent aus "Ersatz"-Waffen besteht und die stets nur ihre Stärke und Kampffähigkeiten steigern?

In der Tat sind viele der sogenannten "Powergamer" nur entstanden, weil der Kampf im Rollenspiel so "wichtig" ist, oder vielmehr für diese Spieler so wichtig erscheint. Da der Kampf logischerweise auch die einfachste Gelegenheit ist, in der ein Charakter zu Schaden kommen kann, oder, abstrakt gesagt, "verlieren" kann und da es einfach in der Natur des Menschen liegt, nicht der "Verlierer" sein zu wollen, powern viele Spieler ihren Charakter nur in Hinsicht auf den Aspekt "Kampf" auf und vernachlässigen andere Dinge.

Leider unterstützen die meisten Rollenspielsysteme diese Denkweise und geben dem Kampf einen hohen Stellenwert - oder wie viele Rollenspielsysteme kennst du, in deren Hauptregelbuch keine fetter Abschnitt (wenn nicht gar der fetteste) über den Kampf zu finden ist (Achtung, dies ist eine rhetorische Frage! Bitte keine "In meinem System ist das aber viel besser"-Mails!)? Auch sind für viele Rollenspielsysteme extra Regelbücher zum Kampf oder mit neuen Waffen erschienen, und das schließlich nicht ohne Grund. Solche Erweiterungen verkaufen sich einfach gut.

Hinzu kommt, daß in kaum einem anderen Bereich so viel Wert auf realistische Regeln gelegt wird wie beim Kampf, der zugegebenermaßen ein komplexes Thema ist, aber warum gibt es z.B. nicht genauso viele Regeln für das Springen? Masse, Luftwiderstand, Geschwindigkeit, Kraft, Sprungart, Windgeschwindigkeit, etc. - für all diese Faktoren müßte man doch Regeln machen! Grundsätzlich ist eigentlich alles, was man aus der Realität in Regeln fassen will, unglaublich kompliziert. Warum aber macht man sich gerade beim Kampf soviel Mühe?

Wenn ich in Newsgroups die üblichen Vergleiche von Rollenspielsystemen zu lesen bekomme, dann werden zwei Systeme nicht selten an Hand ihrer Kampfregeln miteinander verglichen ("DSA Kampfregeln sind scheiße, RoleMaster ist viel besser!") und wenn ich im Internet Rollenspielseiten aufsuche, dann haben die meisten selbstgeschriebenen Regeln auch etwas mit dem Kampf zu tun (Ich selbst bilde da keine Ausnahme). Warum zum Geier sind diese Regeln und der Kampf an sich denn so wichtig?

Der Ursprung davon ist natürlich in unserer Gesellschaft zu finden, in der Auseinandersetzungen jeglicher Art fester Bestandteil des Lebens sind. Allerdings kann ich im realen Leben natürlich nicht einfach mit der Kettensäge durch die Fußgängerzone laufen und Leute umbringen - im Rollenspiel ist dies möglich und diese Möglichkeit wird von vielen dankend angenommen (Wenn auch nicht unbedingt das Beispiel mit der Kettensäge). Aber was schreib' ich da eigentlich?? Ich will hier keineswegs wieder die "Rollenspieler sind Massenmörder und haben keinen Bezug zur Realität" - Diskussion aufwärmen. Jeder kann sich ohnehin selber denken, wohin das führen würde. Überdies kann man dieses Thema keineswegs verallgemeinern und die Rollenspieler, die ich kenne sind absolut keine kranken Soziopathen, also vergessen wir das Ganze einfach wieder.

Worauf ich hinaus wollte, war auch nur, daß der Kampf in der Tat einen hohen Stellenwert im Rollenspiel einnimmt und daß er meist durch äußerst viele Regeln geregelt ist. Werden wir jetzt aber ein wenig konkreter und beschäftigen uns mit dem eigentlichen Ausführen eines Kampfes im Rollenspiel. Ich will an dieser Stelle nicht von irgendwelchen Duellen oder Kämpfen mit wenigen Beteiligten reden, die erfahrungsgemäß wenige Probleme machen und dazu noch stimmungsvoll und spannend sind, sondern von den unvermeidlichen "Massenschlachten".

Eine Rollenspielgruppe besteht im Durchschnitt vielleicht aus 4 Spielern, die alle ihren Charakter in den Kampf führen. Der Spielleiter will den Spielern natürlich eine Herausforderung bieten und passt entsprechend die Opposition an. Wenn die Charaktere also nicht gerade gegen einen mächtigen Dämon oder Drachen (oder gar einem Dämonendrachen) kämpfen, haben sie es wahrscheinlich mit ungefähr 5 oder mehr Gegnern zu tun, da die Feinde meist den Charakteren unterlegen sind und dies vom Spielleiter durch eine entsprechende Menge wegkompensiert wird. Es gilt also jetzt für mindestens 9 verschiedene Kampfbeteiligte, Aktionen zu überlegen und diese auch noch auszuführen!

Ich habe schon viele solche Schlachten erlebt und nur die Wenigsten waren in unter einer Stunde Realzeit beendet. Hier kommen dann auch die allseits beliebten, "je realistischer desto besser" Kampfregeln zum Einsatz und selbst, wenn diese so simpel sind wie die DSA-Regeln (Im Grunde einfach immer nur Attacke und Parade auswürfeln), hatten wir erst letztens einen Kampf, der über 2 Stunden gedauert hat (Okay, bei DSA gibt es noch das Problem mit der hohen Lebensenergie, das die Kämpfe in die Länge zieht). Kommen dann noch Sonderregeln wie zum Beispiel Trefferzonen, Sichtmodifikatoren oder Behinderungen durch Verletzungen zum Einsatz, dann glüht der Würfel und das Regelbuch läuft heiß. Und natürlich haben wir es mit einem guten Spielleiter zu tun, der jede einzelne Kampfhandlung ausführlichst beschreibt ("Und jetzt sticht dir der Einarmige Mann mit dem langen, verfilzten grauen Bart, den blauen Augen und der lilablaßblauen Hose, in deren Taschen drei Löcher sind, mit einem langen, dürren Finger, unter dessen gelblichen Fingernägeln sich der Dreck angesammelt hat, in die linke obere Ecke deines rechten Auges, so daß dich ein Schmerz durchzuckt, der eine Mischung ist aus ...") und seine Spieler tun ihm dies natürlich gleich. Da kann sich ein Kampf schon ganz schön hinziehen und spätestens nach der zweiten Stunde und dem dreihundertneunundzwanzigsten "Ich trete ihm mit der rechten Aussensohle meines linken Stiefels in die linke, obere Bauchspeicheldrüse" wird das Ganze sowohl Spielern als auch Spielleitern zu blöd. Na Gut, ich kenne einige Personen, denen ein Kampf auch nach fünf Stunden nicht zu blöd wird und für die ein Rollenspielabend ohne Kampf eine Katastrophe ist, aber mir persönlich hängen Kämpfe langsam zum Hals heraus. Natürlich können Kämpfe auch spannend sein und sind oft nicht zu vermeiden, aber wenn ich irgendwelche Würfelorgien abhalten will, dann spiele ich kein Rollenspiel, sondern "Mensch ärgere dich nicht" oder ein anderes Brettspiel.

Nach vielen Jahren Rollenspielerfahrung einen Kampf noch interessant zu machen bzw. zu finden, ist wahrlich nicht leicht, denn die meisten Kämpfe ähneln sich in gewisser Weise doch irgendwie und hinzu kommt, daß einem durch den Kampf wichtige Stunden verloren gehen, die man mit "richtigem" Rollenspiel hätte verbringen können. Was kann man also tun?

Nun, zuerst mal sollte man als Spielleiter von vornherein in sein Abenteuer nicht viele Kampfsituationen einbauen, oder zumindest keine solchen Massenschlachten, die sich ewig hinziehen. Ein paar Kämpfe werden fast immer unumgänglich sein, da erstens meist der Hintergrund der Rollenspielwelt nicht gerade friedlich ist und Kämpfe zur Tagesordnung gehören, und da zweitens die Charaktere ja auch herausgefordert werden und ruhig auch mal mit dem Tod konfrontiert werden sollen (und nur Fallen als Gefahr für die Charaktere einzubauen ist etwas einseitig). Man kann die Anzahl von Kämpfen in einem Abenteuer aber durchaus gering halten und dies hat dann zusätzlich noch den Effekt, daß Kämpfe allgemein mehr an Reiz gewinnen, denn wenn man andauernd am Kämpfen ist, ist ein Kampf nichts Besonderes mehr.

Die Spieler sollten sich auch darum bemühen, möglichst wenig Kämpfe zu provozieren, indem sie alternative Möglichkeiten suchen, um einen Konflikt zu lösen (und der Meister sollte den Spielern solche Möglichkeiten offenlassen) oder einfach mal nicht in jeder Kneipe gleich eine Schlägerei anzetteln. Nicht selten macht es mehr Spaß, einen Konflikt zu umgehen oder seine Gegner zu täuschen, als einfach immer stupide auf alles einzuhauen, was Probleme macht.

Ein Unding, daß viele Spielleiter auch öfters benutzen, sind solche "Zufallsbegegnungen" wie zum Beispiel eine Gruppe marodierender Goblins oder Wegelagerer, die einfach so die Charaktere angreifen und in einen Kampf verwickeln. Solche unmotivierten Kampfeinlagen kann man sich wirklich sparen und man sollte die Zeit lieber mit dem Lösen des Abenteuers verbringen (wobei gegen andere Zufallsbegegnungen allgemein eigentlich nichts einzuwenden ist).

Massenschlachten lassen sich manchmal vielleicht auch vermeiden, indem man nur zwischen den Anführern der beiden Parteien ein Duell veranstaltet, was sehr stimmungsvoll und spannend sein kann. Ist eine Massenschlacht wirklich irgendwann mal unvermeidlich, dann sollte man vielleicht nicht auf allen Sonderregeln bestehen und lieber mit dem gesunden Menschenverstand entscheiden, ob der Schlag dem Gegner jetzt vielleicht den Arm abgetrennt hat, oder ganz auf solche Spitzfindigkeiten verzichten und den Kampf einfach etwas abstrakter betrachten.

Jede Gruppe muß eben ihren eigenen Weg finden, wie sie mit Kämpfen umgeht, aber niemand sollte versäumen überhaupt mal darüber nachzudenken, wie wichtig ihm eigentlich Kämpfe sind und ob das Rollenspiel nicht vielleicht auch mehr zu bieten hat.


© 1997 / 2001 by Daniel "Worm" Benkmann

 

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