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Das Rollenspiel simuliert das Leben, allerdings das einer völlig anderer Person in - nicht selten - einer völlig anderen Welt und Zeit. Alles was wir vom Leben wissen stecken wir ins Rollenspiel um die fiktive Welt um uns mit all ihren Ereignissen realistischer darzustellen. Über das Thema was Leben ist gibt es viele Interpretationen und bisher ist man sich wohl nur über einen Punkt einig. Das Leben endet mit dem Tod - eine Maxime die einfach im Vertrag des Lebens steht, und bisher unkündbar geblieben ist. So ist der Tod also den Spielern in die Fantasiewelt gefolgt, um den Spielercharakteren auf den Fersen zu bleiben - und nebenbei die Realistik der Spielwelt zu wahren.

Der Tod im Rollenspiel
(von Maniac, malecha@hotmail.com)

Der wohl bedeutendste Unterschied einer Spielwelt zur realen Welt ist das Fehlen eines wirklich willkürlichen Faktors der über Tod und Leben entscheidet. Die schiere Existenz eines Spielleiters macht solch ein Konzept undurchführbar. Denn sein ist die Entscheidung, egal was die Spieler oder die Würfel sagen. Sein Veto-Recht ist unumstößlich, seine Macht unbegrenzt (zumindest im Rahmen des Spiels...). So ist der Spielleiter der alleinige Gebieter über Tod und Leben in der fiktiven Welt - nicht nur über das der SCs.

Eine interessante Eigenschaft des Todes ist seine Endgültigkeit. Hat einmal einen Spielercharakter dieses undankbare Schicksal ereilt, gibt es keinen Weg zurück ins Leben. (Die viel bejubelten Halbgötter die es doch schaffen, unterstehen anderen Gesetzen als der gewöhnliche Spielercharakter - somit stimmt der vorherige Satz doch.) Zähne knirschen und Haare raufen ist die übliche Reaktion, niemand verliert gerne etwas was er über die Jahre liebgewonnen hat. Der Drahtseilakt, welchen ein jeder Spielleiter vollführt ist nicht einfach. Einerseits muß er den Spielern Spaß bieten und realistisch bleiben, andererseits darf er ihnen nicht das Gefühl vermitteln ihre Charaktere seien sowieso unsterblich und dürften sich alles erlauben. Allein schon deswegen ist der Spielleiter dazu berufen, dem Tod zu geben was das seine ist.

Aber wann ist die richtige Zeit den Sensenmann auf die Spielercharaktere loszulassen? Man sollte sich diesbezüglich Gedanken machen, um keinen unnötigen Haß der Spieler auf sich zu ziehen. (Ist ja gut, ich weiss der Haß kommt sowieso - aber in dem Fall bleibt mein Gewissen zumindest sauber...) Meiner Meinung nach hat es keinen Sinn danach zu fragen: "Wer hat den Tod verdient?" Die Antwort ist nämlich: "Jeder." (Siehe Vertrag des Lebens - Anlage: fällige Leistungen der lebenden Person, letzter Punkt: Exitus - gültig ab Geburtsdatum.) Vergessen wir das also und fragen stattdessen: "Wie bald hat man den Tod verdient?" Dies ist besonders in einem Spieluniversum leicht zu beantworten, denn die Dummheit eines Spielercharakters sollte in umgekehrter Relation zu seiner Lebenserwartung stehen. Kurz gesagt: je dümmer das Verhalten um so kürzer das Leben. Nun diesen Spruch hat eigentlich schon jeder von uns gehört. Die Entscheidung darüber wann eine Aktion so dumm war, daß sie mit dem Tod bestraft werden sollte, fällt nicht immer leicht.

Der Tod und der Tor

Es gibt spielleiterfreundliche Spieler, die keinen Hehl daraus machen, daß sie gerade rücksichtslos dämlich Handeln. Ob sie das einsehen oder nicht interessiert uns - Spielleiter - einen  Dreck, denn was zählt sind die Taten. Ein von sich grenzenlos überzeugter (aber sehr dummer) Held, welcher beim Anblick eines Drachen lässig meint: "Ziemlich viel Cash, was da rumliegt, Zeit meine Kasse aufzuwerten und 'n paar Erfahrungspunkte zu sammeln!" ist ein Paradebeispiel. Die Einstellung an sich wäre schon erschreckend, doch der Hammer kommt noch. Betrachtet man die Spielwerte solcher Spießer stellt man meist bleichwerdend fest, daß dieser SC den Drachen nach allen Regeln der Kunst fertig machen würde! (Manche Systeme stellen Drachen schon fast putzig dar.) Solch ignorante, respektlose und dreiste Gestalten verdienen den Tod - manchmal sogar mehrfach. Der Spielleiter sollte nicht zögern die Regeln zu biegen um den Spieler in die Schranken zu verweisen. Das anschliessende Gespräch der beiden sollte das Fehlverhalten korrigieren - oder zumindest einiges klarstellen.

Der Tod und der Hingebungsvolle

Manche Spieler jedoch sind in der Lage die Dummheit ihrer eigenen Aktionen gekonnt hinter dem Vorwand der rollenspielerischen Darstellung des Spielercharakters zu tarnen. Wie das Aussehen kann? Nehmen wir die oben erwähnte Situation, in welcher der Spieler (einen Ritter verkörpernd) schreit: "Für Ruhm und Ehre!" und seinen Rappen auf den Drachen zusteuert. Hier ist guter Rat teuer, da man nur aufgrund der Umstände eine einigermassen faire Entscheidung treffen kann. So könnte der Drache aus einer Laune heraus befinden dem Störenfried eine Lektion zu erteilen (wiederum hilft hier ein Blick auf des Recken Werte, damit man den Drachen und sich selbst nicht kompromittiert...). Im Zweifelsfall ist es immer günstig die Gefahrenquelle zu entfernen (der Drache ignoriert den Ritter und fliegt majestätisch von dannen). Hat man jedoch befunden, daß hier ein Fehlverhalten vorliegt, und man zur Urteilsvollstreckung ansetzt, so wäre es vielleicht klug dieses Schauspiel unvergesslich zu gestalten und dem Ritter einen Beinahe-Sieg zu gestatten - schließlich war sein Handeln dreist, doch rollenspielerisch durchaus nachvollziehbar.

Der Tod und der Unglückliche

Manchmal geht sogar eine gut durchdachte Aktion eines Spielers das Klo runter - sei es weil das Würfelglück dem Spieler fehlte, oder weil eine Information, die eine Situation ins rechte Licht rücken würde, nicht vorhanden war etc. Ich habe eingangs erwähnt, daß der Tod im Rollenspiel keine Sache des Zufalls ist und demnach sollte der Spielleiter Gnade walten lassen, wenn allein das Pech den Spieler heimsuchte anstelle eines monströsen Anfalls von Dummheit. Diese Verfahrensweise kann aber nicht ewig aufrechterhalten werden, sonst läuft man Gefahr das Spiel ins Lächerliche zu ziehen. Besonders wenn Patzer mit im Spiel sind, ist es vielleicht an der Zeit einem vom tödlichen Unglück verfolgten Spielercharakter die ewige Ruhe zu gönnen.

Ganz entschieden sollte man Härte zeigen, wenn eine schier aussichtslose Aufgabe in Angriff genommen wird und selbst das wiederholte Scheitern die Spieler nicht an neuerlichen Versuchen stoppen kann. ("Ich spucke dem Gegner ins Auge und blende ihn! Hm... der Wurf ist hoch, Dreck schon wieder nicht gelungen - dafür nehme ich jetzt eine Wunde! Das nennt man Pech... Was soll's? Auf ein neues!") So etwas hat im allgemeinen nicht das geringste mit Pech zu tun - denn die Spieler sollten fähig sein aus ihren Fehlern zu lernen.

Der Tod und der Querdenker

Es geschieht immer wieder, daß Spieler die Fantasy-Welt mit ihren Gesetzen nicht allzu ernst nehmen. Manche gehen sogar soweit, zu zeigen, daß die Regeln des Universums sie nicht wirklich angehen. Demonstrationen dieses Mangels an Respekt können mehr oder weniger kreativ sein: Bepinkeln öffentlicher Einrichtungen, mächtige Persönlichkeiten werden behandelt als würde man sich mit ihnen schon seit langem regelmäßig zusaufen - alles in einem: dem Spieler mangelt es an Anpassungsfähigkeit. Besonders in den RPGs, welche längst vergangene Epochen als Schauplatz der Ereignisse gewählt haben, geht man mit solchen Individuen unsanft um. Motto: Wer sich nicht anpasst wird früher oder später als Hexe entlarvt (sehr bequem und sehr effizient). Aber auch Charaktere, welche einen schlechten Einfluss auf die fiktive Welt haben (sei es weil sie verbotenes Wissen ans Volk verscherbeln, zweifelhaftes Gedankengut sähen usw.) könnten sich eines Tages mit einem wildgewordenen Mob konfrontiert sehen, den es nach ihrem Blut verlangt... (Wiederum braucht man die Hexenidentität des Angeklagten, was jedoch - wie uns die Geschichte lehrt - nicht wirklich ein Problem ist.)

So amüsant solche Szenen auch sein können (für den Spielleiter versteht sich), man sollte den Querdenker Warnungen zukommen lassen und erst nach wiederholtem Fehlverhalten die Höchststrafe verhängen.

Der Tod und der Held

Zu den schönsten klassischen Situationen im Rollenspiel gehört zweifellos das Opfern eines eigenen Spielercharakters um die restliche Spielergruppe (oder weitaus nobler sogar: NSCs) vor dem sicheren Tod zu bewahren. Ab und zu kann es passieren, daß sich ein Spieler dazu entschließt, auch wenn der Spielleiter so etwas gar nicht an dieser Stelle geplant hatte. Die Geste allein ist nobel, die Entscheidung fällt dem Spieler sicher nicht leicht (wer trennt sich schon gerne von seinem Charakter?) und somit sollte diese Tat vom Spielleiter respektiert werden. Dieser Respekt kann durchaus so aussehen, daß man dem Spielercharakter ein überaus heldenhaftes Ableben gestattet, welches auf ewig in den Legenden der fiktiven Welt festgehalten wird (war Gandalfs Selbstopfer in Moria nicht ein bewegendes Schauspiel?).

Sterben lassen will gelernt sein

Nachdem nun mehr oder weniger klar ist, wann es erlaubt bzw. notwendig ist den Tod sein Handwerk verrichten zu lassen, wäre es an der Zeit sich darüber Gedanken zu machen wie man es anstellt. Der wohl unangemessenste Spruch den ein Spielleiter je aufsagen kann ist: "Du bist tot, geh' und erschaffe einen neuen Charakter!" Wie einfallslos! (Angesichts solcher Kreativität ist es kein Wunder, wenn die Spieler dem SL sofort an die Kehle gehen...)

Der Tod eines Charakters ist gleichzeitig der Abschied von ihm, und sofern er nicht blutjung draufging, ist es angemessen ihm die letzte Ehre zu erweisen. Abschiedsworte machen sich gut um ihn besser in Erinnerung zu behalten und eine erhabene Atmosphäre zu erschaffen. Aber da es alles sowieso fiktiv ist, steht eigentlich nichts im Wege, um den Tod richtig auszuspielen, in dem man ihn vielleicht als Person einsetzt. Nicht wirklich als NSC, da sich jegliche Werte erübrigen, aber als eine greifbare Verkörperung des Schicksals, die den Charakter auf seiner letzten Reise begleitet. Faustregel: je stimmungsvoller, um so besser - und keine zweimal gleich!
 

Wie wir sehen, kann der Tod im Rollenspiel genauso als Werkzeug des Spielleiters benutzt werden wie alles andere. Interessanterweise muß er nicht immer als Strafe eingesetzt werden, sondern manchmal eher als Belohnung... Sein Einsatz sollte jedoch immer mit Respekt angegangen werden, da die Konsequenzen für die Spieler endgültig sind, und selten spassig - und wir dürfen nie vergessen, daß wir Rollenspiel zum Spaß betreiben (ich werde niemals müde dies zu predigen).

Ich bin mir der Tatsache wohl bewußt, daß ich hiermit ein schwieriges Thema angeschlagen habe. Auch bin ich nicht der Erste und nicht der Letzte, der sich dazu entschlossen hat, seine Gedanken dazu niederzuschreiben. Ich wäre sehr dankbar für euere Meinungen zu diesem Thema.

Zum Schluß ein guter Rat: Fürchtet den Tod nicht - respektiert ihn!


© 1998 by Maniac

 

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